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Interview x Sandra Maier «Nachhaltigkeit beginnt bei der Liebe zu uns Selbst»


Sandra (re.) im Interview mit mir

Faire Mode erfreut sich in den letzten Jahren immer grösserer Beliebtheit, weswegen auch immer mehr grosse und bekannte Modehäuser teilweise recycelte und nachhaltig hergestellte Kleidungsstücke anpreisen. Dass hier besonders auch Greenwashing betrieben wird, ist offensichtlich. Denn auch wenn ein kleiner Teil der Kollektion nachhaltiger produziert wurde, ist der andere und grössere Teil meist immer noch unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen entstanden und mit einer hohen Konzentration an Schadstoffen belastetet. Das Konzept 100 % nachhaltig produzierte Mode ist leider in vielen Köpfen immer noch etwas abstrakt und wenig präsent.


Sandra Maier, selbstständige Fotografin aus Schaan, möchte mit ihren Fair Photo Sessions aufzeigen, dass nachhaltig produzierte Mode längst den Sprung in unsere Gesellschaft gefunden hat. Faire Fashion findet sich in vielen Regalen und manche Shops verkaufen auch ausschliesslich nachhaltige Mode. Im Interview erzählt Sandra von ihren Anfängen in der Fotografie, welche Themen ihr in Porträts besonders wichtig sind und was nachhaltig produzierte Mode für sie bedeutet. Sehen kann man ihre Werke auf ihrer Webseite oder auf ihrem Instagram-Kanal, wo sie auch ihre neueste Arbeit «Your Shame Not Mine» vorstellt – eine Parole zur patriarchalen Gesellschaft.



Ramona: Liebe Sandra, vielen Dank für deine Zeit und das Interview. Gerne beginne ich mit der Frage, wie du denn zur Fotografie gekommen bist.


Sandra: Gerne, danke dir!


Ich glaube, das Leuchtpult meines Nachbarn war ausschlaggebend. Von Beruf auch Fotograf.

Immer wieder sah ich ihn dort sitzen und seine neuesten Dias sortieren. Anschauen durfte ich sie nie. Ob es nun das Verbotene oder dieser leuchtende Kasten war, ich weiss es nicht, aber bald schenkten mir meine Eltern meine erste eigene Analogkamera.



Ramona: Was bedeutet Fotografie für dich? Welche Motive fotografierst du am liebsten?


Sandra: Es ist meine Art, mich auszudrücken. Genauso gern philosophiere ich über das Leben, aber die Fotografie erdet mich irgendwie.


Der Mensch ist meistens immer im Fokus. Das Gesicht, der Körper. Auch die Natur zieht mich immer wieder an, diese zeige ich jedoch eher in abstrakten Arbeiten.



Ramona: Laut deiner Webseite stehst du besonders für Selbstbestimmtheit, Weiblichkeit und Freiheit ein. Was bedeuten diese für dich?


Sandra:


Sich frei zu machen,

um sich selbst sein zu können.


Darum geht es auch sehr stark in meiner neusten Arbeit «Your Shame Not Mine».


Oder ein bisschen tiefer: Hierbei denke ich besonders an die Erwartungen der Gesellschaft an uns

Frauen. Vieles wird uns auferlegt. Was wir sein sollen oder eben nicht.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir alle in patriarchalen Strukturen sozialisiert wurden. Dessen sollten wir uns unbedingt bewusst werden. Und ob es nun unsere eigene Misogynie ist, oder diejenige unseres Gegenübers.



Ramona: Welche Themen sind für dich in der Fotografie besonders wichtig?


Sandra: Eben diese. Aber wie du weißt, ist auch sehr stark die Nachhaltigkeit ein Thema. Mein Kundenstamm mit bewussten Kunden wächst und es freut mich immer wieder, wenn jemand auf mich zukommt mit neuen Ideen.



Ramona: Du portraitierst seit einiger Zeit «Fair Photo Sessions». Was können wir uns darunter vorstellen? Wie kam es zu diesem Projekt?


Sandra: Diese Fotoserie habe ich ins Leben gerufen, um mich (zusammen mit meinen Kunden) für eine positive Veränderung in der Modeindustrie einzusetzen. Jede gute Veränderung beginnt im Kleinen und so auch hier.


Personen, welche diese Session buchen, werden in ihren eigenen fairen Labels porträtiert (von Strick bis Upcycling ist alles möglich) oder von mir (mit nachhaltiger Mode meiner Kunden) eingekleidet.



Ramona: Haben Fotografen und Fotografinnen Verantwortung, was sie porträtieren und somit ihrer Follower-Schaft präsentieren?


Sandra: Schwierig. Wie soll ich mich ausdrücken?

Sie haben Einfluss, aber kann man von ihnen erwarten, dass sie sensibel mit ihrer “Macht” umgehen? –Zu wünschen wäre es. Da ist halt auch die Frage, an welchem Punkt ihrer Entwicklung stehen sie?


Ich für mich bin einfach sehr strikt mit der Wahl meiner Kunden. Ich muss hinter dem Produkt des Kunden stehen können. Oder auch bei meinen Settings achte ich sehr darauf, dass ich keinen Abfall produziere.


Auch hier denke ich, dass jeder seinen eigenen Weg finden darf.



Ramona: Faire Mode ist in den letzten Jahren vermehrt aufgetaucht und immer mehr auch grosse und bekannte Modehäuser preisen sich mit recycelter und nachhaltig hergestellter Mode. Ist hier besonders Greenwashing präsent oder sollte man deiner Meinung nach eher komplett auf nachhaltige Modelabels setzen?


Sandra: Ich finde schon, dass es ein Problem ist, wenn wir weiterhin diese Ware beziehen. Immer wieder mal schaue ich mir an, wie sie ihre Konsumenten verarschen. –Sorry für dieses Wort, aber wahr ist es ja. Letztens habe ich einen Pullover gesehen: «Recycelte Wolle», stand da. Naja, das Produkt bestand aus 30% Wolle und 70% Plastik. Nein, nicht recycelter Plastik.



Ramona: Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich im Alltag und warum liegt dir Nachhaltigkeit am Herzen?


Sandra: Eigentlich ist es doch ganz simpel. Die Nachhaltigkeit beginnt bei der Liebe zu uns Selbst. Wenn wir uns selbst Wertschätzen, dann ist es uns auch wichtig, was wir unserem Körper zuführen. Wenn wir hier auf schädliche Produkte verzichten, tragen wir automatisch etwas zu einer gesunden Umwelt bei. Denn wenn wir uns wichtig sind, dann ist es auch die Welt, in der wir leben. Und ja, ich blende hier die geopolitischen Themen aus, da wir da wenig Einfluss haben. Jedoch, wenn wir bei uns selbst beginnen, stehen wir vor einer wirklichen Veränderung. Das tun wir ja schon!


Ramona: Wie viele Fair Photo Sessions hast du bereits abgehalten und welches Shooting hast du besonders in Erinnerung?


Sandra: 19 Sessions. Das Letzte ist immer das Schönste. Das hat jedoch nichts mit den Portraitierten zu tun, sondern mit mir selbst. Ich bin sehr selbstkritisch und möchte mich weiterentwickeln.



Ramona: Ist der Trend nach nachhaltiger Kleidung auch bei uns angekommen und können wir Fair produzierte Kleidung überhaupt bei uns in der Nähe kaufen?


Sandra: Feldkirch ist super spannend geworden!

Hier findet man Frauenmode, Männermode, Kinderbekleidung, Spielzeug, Haushaltsware.

Selbst eine zugängliche Nähmaschine und natürlich Second-Hand.



Ramona: Was erwartest du dir für die Zukunft?


Sandra: Mut. Ich wünsche mir, dass jeder von uns den Mut hat, sich selbst und sein Verhalten kritisch zu hinterfragen und zu überlegen, in welchen Lebensbereichen er/sie bewusster handeln könnte.


Es geht nicht darum zu perfektionieren, sondern anzufangen.

Und wenn wir anfangen, werden wir automatisch bewusster.



Ramona: Du hast gerade Fotografien in einer eigenen Ausstellung in Schaan ausgestellt. Sind weitere Ausstellungen für dieses Jahr geplant?


Sandra: Als nächstes ein bisschen weiter weg, und zwar in Yerevan, Armenien.

Ich habe dort eine Art Residency erhalten und werde den ganzen Sommer über dort sein.

Ende Sommer ist dort eine Gruppenausstellung mit einem meiner Werke angedacht.



Ramona: Sehr spannend! Hättest du uns noch einen Lieblings-Nachhaltigkeits-Tipp?


Sandra: «Not macht erfinderisch.» Ein Satz, der seit vielen vielen Jahren ein Wegbegleiter ist. – Beruflich oder Privat. Aus nichts etwas zu machen. Das finde ich das Schönste.



Ramona: Vielen lieben Dank für deine Zeit und das tolle Interview!



Werkbeschrieb «Your Shame Not Mine»

«Your Shame Not Mine» ist eine Arbeit, die als Parole dienen soll. Unsere Gesellschaft ist sehr festgelegt und schreibt Frauen vor, wie sie sich zu verhalten und zu präsentieren haben. Nicht zu vergessen, dass wir alle in einer patriarchalen Gesellschaft sozialisiert wurden. Mit «Your Shame Not Mine» zeige ich Frauen, die sich in ihrem Körper wohl fühlen. Sie sind nackt, Brustwarzen* sind zu sehen und doch haben sie nichts mit Sexualität* zu tun. Die Scham wird hier an die Betrachter/innen zurückgegeben. Es ist nicht die Aufgabe der Porträtierten oder der Fotografin, sich für das Empfinden der Gesellschaft verantwortlich zu machen. Nicht mehr. *Abgesehen davon, dass die weiblichen Brustwarzen häufiger zur Erhaltung unserer Art beitragen, unterscheiden sie sich kaum von den männlichen. Eine erogene Zone für alle, die eine haben. *Das war das Hauptziel dieser Arbeit: Ästhetisch, aber nicht sexuell. Das wird deutlich, wenn man sich die verschiedenen Haltungen in der gesamten Kollektion ansieht. Die Protagonisten sind Frauen in allen Formen und Lebensphasen. Sie sind wohlig warm, mit sich selbst zufrieden. Im innen, nicht im aussen.





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